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FOA.2004 - LEGACY.de
Das diesjährige Metal Meeting der "United Metal Maniacs" von der "Festung" in Bitterfeld stand unter einem ganz besonderen Stern: Bombenwetter, nur gute Bands und billiges Bier noch dazu waren die beste Vorraussetzung für ein rundum gelungenes Open-Air-Festival.

Schon der Auftakt war wie großes Kino: In Mühlbeck, einem kleinen beschaulichen und sehr sauberen Ort ganz in der Nähe vom Festival-Gelände, wurden wir Neuankömmlinge sofort kritisch bemustert. Es dauerte keine zwei Minuten, da standen schon die ersten Großmütter am Gartentor und wichen nicht, bis wir den Ort wieder verlassen hatten. Irgendwas war komisch an der cleanen Atmosphäre hier. In "Nightmare On Elmstreet" sah es genauso aus.
Und tatsächlich haben die Leute hier einen an der Waffel..

Wie aus dem nichts taucht plötzlich eine Mutti in mit einem kleinen Wildschwein an der Leine auf! Die Besitzerin ist ob unserer Erscheinung in Schwarz mit Nieten und Kutte überm W.A.S.P.-Shirt ganz verschrocken. Ängstlich zieht sie die kleine Sau schnell in ihren Hinterhof. War das jetzt ein Traum? Wer weiß schon, welche eigenwillige Kreaturen noch in Mühlbeck hausen? Schnell fort von hier!

Und hin zum gemütlichen Zeltplatz, wo sich bereits an die fünfhundert Metal-Freunde aus aller Herren Länder wohnlich eingerichtet haben. Das ist keine schlechte Bilanz für die Leute vom "United Metal Maniacs"-Team, denn die hatten symbolbehaftete 666 Karten Drucken lassen (und auch jede einzelne eigenhändig abgestempelt).
Das nächste Omen lässt auch nicht lange auf sich warten: Gerade hat man sein wackeliges Armeezelt endlich aufgebaut, da stolpert wer über eine liegengebliebene Zeltstange, die sich danach auf magische Weise zu einem umgedrehten Pentagramm formiert. Oh, welch übersinnliche Kräfte sind denn hier zu Gange? Ob es an der brennend heizenden Sonne am wolkenlosen Himmel liegt, oder dem Bier für 1,50 Euro, oder beidem zusammen? Wenn dann die Zeltnachbarn auch noch tschechische Fans sind, die auf ihrem Skipper noch die ganze Ladefläche voll Bierkästen haben, ahnt man, was hier noch abgehen wird: die totale Alkohol-Hyperthermo-Gammastrahlen-End-Termination! Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg...

Mit leichter Verspätung betreten gegen 18.00 Uhr REQUIEM die Bühne. Die sind nicht zu verwechseln mit REQUIEM aus der Schweiz, welche letzte Woche auf dem "Fuck The Commerce" einen Auftritt hatten. Im Gegensatz zu denen spielen die drei Brandenburger hier soliden Death Metal ohne Spirenzchen. Sie freuen sich über ihren Auftritt, der ja noch recht kurzfristig zum fertigen Line-Up hinzukam. Als Opener machen sie ihre Sache gar nicht schlecht. Schließlich sollen die Leute Spaß haben! Mit gesunder Selbstironie kündigt ihr Sänger den letzten Song an: "Wenn ihr noch mal richtig schlecht moshen wollt, dann tut das jetzt!" Also los, da zuckt auch die nackte blonde Mosh-Puppe, die links oben an der zirka vier mal fünf Meter großen Bühne aufgehangen ist und in der sich langsam senkenden Sonne schmort. Wäre sie aus Fleisch und Blut, würde sich ihr Körper innerhalb weniger Stunden in eine aufgeplatzt Wurst verwandeln. So bleibt sie aber übers Wochenende aufgeblasen da oben hängen.
Hier unten vor der Bühne haben sich inzwischen um die fünfzig Leute eingefunden um zu KRVAVA PRACE aus Tschechien ihre Häupter im Wind wehender Haare zu kühlen, obwohl deren Black-Death-Metal-Mischung nicht besonders spektakulär ist. Man könnte die Zeit auch nutzen um bei den fünf Plattenständen sein Geld zu lassen oder Aufnäher zu kaufen. Man denkt aber, es wäre cleverer solche Erwerbungen erst am nächsten Tag zu tätigen. Denkt man und geht die fünfzig Meter zurück zur Bühne.

Dort kommt einem die hagere Sängergestalt von DEVIL LEE ROT in engen schwarzen Nylon-Leggins von der Box entgegengesprungen. What a man! Die tiefen Augenringe und hängenden Tränensäcke in seinem Gesicht lasen ahnen, was er schon alles erlebt hat und womit er die meiste Zeit verbracht hat: bösen Heavy Metal zu singen und zu leben. Mit AUTOPSY TORMENT sind er und sein Gitarrist ja auch schon eine Weile (seit 1989) am Hartstahl schmieden. Der Spaß daran ist ihnen nicht vergangen, es ist eine Freude mit diesen Typen zu 'Metal Dictator', 'I Am Evil' oder 'Metalizer' abzugehen und übermütig die geballte Faust in den Himmel zu strecken. Da ist die Vorfreude auf morgen groß, wenn die Hälfte der Band noch mal auf der Bühne stehen wird.

Düsterer geht es da bei den Portugiesen von CORPUS CHRISTII zu, die nur für diesen Gig nach Deutschland gekommen sind. Am helllichten Tag betreten sie klassisch mit Corpse-Paint die Bühne. Unterstütz werden sie von einer gar nicht freundlich guckenden Frau am Bass. Die Nebelmaschine leistet ganze Arbeit um das in Rot und Blau getauchte Set halbwegs düster und bedrohlich wirken zu lassen. Alsbald verschwindet ihr Drummer, der auch bei FUNERAL MIST die Stöcke schwingt, im Dunst. Besonders abwechslungsreich ist ihr kompromissloser Black Metal zwar nicht, aber dafür entwickelt sich langsam eine schwüle und diabolische Atmosphäre vor der Bühne. Dort haben vielleicht dreihundert Mann Platz und in etwa so viele sind jetzt auch hier. Hypnotisiert, nicht zuletzt vom Anblick der ganz in enges schwarzes Leder gehüllten Bassistin, folgen am Ende der Show rund hundert Begeisterte dem Ruf: "Hail, Hail...(Master Satan)". Bei soviel Zuspruch, hat sich für die Band der weite Weg echt gelohnt!

Bis jetzt ist dieses Festival die reinste Blasphemie. Um so erstaunlicher ist es da, dass sich unter all die kaputten Metaller auch ahnungslose Zivilisten verirrt haben. Den ganzen Tag schon fahren hier mal mehr mal weniger interessiert oder schockiert dreinschauende Fahrradfahrer, groß, klein, dick, dünn, am Festival-Zaun vorbei. Was der Anblick all dieser benieteten, schwarzen, von Sonne und Bier aufgedunsenen Gestalten wohl für Eindrücke hinterlassen haben muss? Manche sind so neugierig, dass sie sogar eine Eintrittskarte kaufen um sich das Festival von innen anzuschauen. Ob ihnen wohl die oldschoolige Black-/Thrash-Mixtur der Schweden von DIABOLICAL gefällt? Wenn nicht, dann überzeugt zumindest der Bierpreis und die gute Stimmung! Derweilen spielen DIABOLICAL den Tod an die Wand. Den typischem Schweden-Sound haben sie ganz klar verinnerlicht (Göteborg grüßt!), aber auch ein bisschen alte KREATOR klingen durch. In jedem Fall liefern sie eine kraft- und auch humorvolle Mischung. Es ist schon irgendwie ein surrealer Anblick, wenn ein paar Dutzend Metalheads "We are the children of the mushroom cloud" grölen. Der so betitelte Song macht wirklich weich in der Birne, insbesondere mit dem psychedelischen Sample aus orientalischen Räucherhöhlenklängen in der Mitte. Noch mitreißender ist das auf und ab wirbelnde 'Vertigo', ein echter Bang-Genuß! Da möchte man gar nicht mehr aufhören. Doch die Zeit drängt, es stehen noch drei Bands aus.

Inzwischen ist es dunkel geworden, als die deutschen DARK FORTRESS die Bühne betreten. Wieder räuchert die Nebelmaschine alles zu, gedämpfte rote und blaue Scheinwerfer tauchen das Set in ein mystisches Licht. Schemenhaft sind die schattigen Umrisse der sechs Bandmitglieder zu sehen. Alles ist still, während das Keyboard-Intro ertönt. Dann tritt langsam die geschundene schwarz weiß geschminkte Sängergestalt in einem zerrissenen Hemd ans Mikro und beginnt mit dem Einsatz der sägenden Gitarren ihr dämonisches Gekeife. Die elegischen Melodien, die sehr an gloriose DISSECTION-Meisterwerke und alte SATYRICON erinnern, nehmen die dicht gedrängte Meute vor der Bühne in ihren Bann. Magie, Epos, Sehnsucht und Aggression erfassen den Ether über den Köpfen der lauschenden Menschen. Bei Songs wie 'Warlord' werden die dunklen Geschichten der Lieder fast Wirklichkeit. Es überkommt einen ein fröstelndes Gefühl und als DARK FORTRESS nach ihrem fesselnden Auftritt schon längst die Bühne verlassen haben, steht man immer noch starr in der abendlichen Dämmerung.

Ohnehin ist es kühler geworden, neben der Bühne lodert nun ein großes Lagefeuer und erhellt den finsteren Nachthimmel. Ein warmer Met wär jetzt schön, aber kalter tut's auch. Viel Zeit für Romantik bleibt eh nicht, denn gleich sind die Schweden von IN BATTLE am Start und die pflücken keine Blumen. Mit Black-/Death-Metal-Attacken und paganen Riffs ebnen sie ihr Schlachtfeld. An ihrer Spitze tobt ein echter Nordmann. Der kahlköpfige Sänger mit einem "Norrland"-Aufdruck auf seinem Shirt wütet wie ein wildgewordener Pit-Bull auf der Bühne. Dabei lässt er mürrisch die Unterlippe bis zum Zeh herunterhängen. So ganz will er nicht ins Bild einer ursprünglichen Black Metal-Band passen. Aber auch der Bassist mit seinem blonden Topfschnitt und dem lackierten Ebenholz-Viersaiter würde sich optisch besser bei einer Jazz-Band einreihen. Um so härter trifft da den schon stark schwankenden Metal-Fan im Publikum die scharfgeschliffene IN BATTLE-Todesaxt, welche hier mit sagenhafter Geschwindigkeit und punktpräzise auf den Mosh-Pult einhackt. Manchem ist das Gefrickel schon zu technisch und er nutzt die Zeit noch mal ordentlich am Bitburger-Stand nachzutanken. Andere kriegen den Kopp gar nicht mehr hoch vor Begeisterung und versinken im Geschwindigkeitsrausch. Zu Stücken wie 'The Rage Of The Northmen' darf man sich ruhig mal richtig großartig fühlen. Aber auch der neu Song 'King God' verdreht ordentlich die Hirnwindungen. Halb so wild, denn Zeit zum Geraderücken gibt es danach erst mal genug.

Bestens gelaunt und neugierig muss man auf das Highlight des Tages noch ganz schön lange warten. Zwischendurch taucht immer mal wieder ein Mann in silbergrauer Leggins und glänzend poliertem Genitalschutz auf der Bühne auf und drapiert sorgfältig ein Schädelchen nach dem anderen auf der Bühne. Am Ende ist kaum noch Platz zwischen den ganzen Requisiten. Dann Stille, Nebel, kurzzeitig ist es stockfinster. Mit laut knallenden Pyros ist die spannung endlich gebrochen. GODDESS OF DESIRE entern die Bühne. Im Flammenschein sind die fünf Helden aus Holland in voller Pracht zu bewundern: In der Mitte steht Sänger, Bassmann und Heeresführer "Count August" mit Pelzumhang und benieteten Knieschützern. Flankiert wird er zur linken vom neuen Gitarristen "Lord Arydon" und zur rechten vom zweiten Sänger und Gitarristen "Grev Drake", dem ein Kindsschädel aus dem Schritt grinst. Im Hintergrund sitzt mit pelzigen Schulterpolstern ein neuer "Bastard" am Schlagwerk. Was für eine Kostümierung! Die Freak-Show kann beginnen! Die Achtziger sind noch immer nicht vorbei. Im Moshpit bricht die Hölle los. Wildes Gejubel, lachende Gesichter. Die höchst energische Heavy-/Thrash-Mischung sorgt für mordsmäßigen Spaß. Überwältigt und völlig begeistert stürmen die Fans die Bühne zum Sprung in die tosende Menge unter ihnen. Doch zu langes Posen strafen die Securities mit einem heftigen Stoß von der Bühnenkante. Aus den Stage-Divern werden fliegende Holländer. Einer der Wachmänner entschuldigt sich sogar: "Ich will das ja gar nicht, aber wenn ihr so derbe abgeht!" Ganz unrecht hat er nicht, bei dem ganzen Feuer. Aber die echten Geschütze fehlen ja noch: zwei Tänzerinnen in Lack und Leder mit Opferkelch und Fackel kommen auf allen vieren angekrochen. Lasziv wälzen sie sich auf den Monitorboxen und mutieren schließlich zu Flammen speienden Ungeheuern. Dann wird ein riesiges Pentagramm hereingefahren, kurze Zeit später geht es in Flammen auf. Mit einem Feuerwerk vom oberen Bühnenrand endet schließlich die berauschende Show. Kaum zu glauben, dass die Jungs Mitte der Neunziger nur aus Spaß als Cover-Band angefangen haben. Cover-Songs? Ähm, die Show ist optisch so fesselnd, dass man gar nicht daran denkt sich diese zu merken. 'Electric Funeral' von BLACK SABBATH und 'We Are Motörhead' waren auf jeden Fall dabei. Aber die eigenen Songs der Holländer geben genug Sex, Blasphemie und Sadismus her, als dass sie sich mit fremden Lorbeeren schmücken müssten. Zwei Zugaben lassen sie sich noch entlocken, dann ist entgültig Sense.

Aber Stille herrscht deswegen noch lange nicht! Schlafen kann man ein ander Mal. Das Wochenende wird durchgefeiert bis Montag Morgen. Wer nicht seine eigene Beschallschachtel dabei hat, wird im Festzelt bestens versorgt. Ein Lob an den die dunkle Gestalt dort am DJ-Pult! Versteckt in einer finsteren Ecke hinter Tarnnetzen macht er alle glücklich. Von IRON MAIDEN über KREATOR, SODOM, CELTIC FROST und BATHORY hin zu SATYRICON bis ENSLAVED am frühen Morgen, von denen er gleich mal die ganze "Monumension" durchlaufen lässt, ist alles dabei. Endlich mal einer, der diese Scheibe verstanden hat und damit die Sonne aufgehen lässt! Man fühlt sich göttlich und schwerelos in dieser Lichtflut, kann gar nicht fassen, dass die Nacht schon vorbei ist. Hatte man nicht gerade noch zusammen mit NOCTURNAL BREED deren verlorengegangenen Drummer Thomas wiedergefunden? Überwältigt von einer Whiskey-Flut hatte der sich im Stroh vom Partyzelt langgemacht. Eine Minute später kann er schon wieder unter seinem Cowboy-Hut hervorgrinsen und seine Wünsche kund tun: "Show me your tits!" (Er ist MÖTLEY-CRÜE-Fan.) Da ist die Spannung umso größer, ob die Jungs ihren Auftritt heute Abend glatt über die Bühne bringen. Nur für dieses Festival sind sie extra aus Oslo hergeflogen und verbringen nun ganze vier Tage in Bitterfeld, einem ziemlich trostlosen Ort. Da gibt es neben Saufen wirklich nicht viele Möglichkeiten die Zeit totzuschlagen.

Immerhin gibt es beim Camping-Platz einen großen Restlochsee. Gitarrist Tom scheut sich nicht morgens die vier Kilometer vom Hotel dorthin zu laufen und ins blaue Nass zu springen. Danach erzählt der hagere Mann mit dem schütteren Haupthaar, der nebenbei schon lange als Tonmeister tätig ist und für den End-Mix vieler Black Metal-Klassiker (von DIMMU BORGIR, SATYRICON, AURO NOIR und zuletzt DARKTHRONE) verantwortlich war, über seine neusten Projekte: "Wir werden mit NOCTURNAL BREED im Herbst ein neues Album aufnehmen und es wird noch rauer klingen, als die bisherigen." Außerdem ist bereits die neue Scheibe von DODHEIMSGARD, wo er ja auch noch die Saiten zupft, fertig. "Wir hatten im letzten Jahr große Probleme. Ständig änderte sich die Besetzung und zuletzt hat sich unser Drummer verabschiedet, als die meisten Stücke schon aufgenommen waren. Wir haben zwar schon einen neuen, aber der fühlt sich noch nicht sicher genug die Stücke live zu spielen. Daher mussten wir auch unseren Auftritt beim "Hole In The Sky" (großes Festival im norwegischen Bergen - Anm. d. Red.) absagen." Schade, aber die Ankündigung eines neuen Albums lässt Vorfreude keimen! Derweilen steht die Sonne über uns fast im Zenit. Ahnungslos verbringen wir noch eine Weile am See. Hätten wir uns doch einen schattigen Platz gesucht...

Zwei Stunden später: Zurück auf dem Zeltplatz. Die Sonne hat ihre Spuren hinterlassen. Ganz langsam verwandelt sich die Haut in ein klebrig nässendes gelbes Etwas, dass sich schleichend im Gesicht ausbreitet und höllisch wehtut. Aber halb so schlimm, von fern sieht es aus wie Kotze und passt damit wunderbar zu diesem herrlichen Festival-Sonntag. Überall wird jetzt gegrillt und selber fühlt man sich wie eine einseitig zu doll gebratene aufgeplatzte Wurst. Die Zerstörung ist beinahe komplett. Die tschechischen Fans sind auch schon fast am Ziel: einer von ihnen liegt rosarot mit einem Hammer im Feinripp-Schlüpfer auf der Wiese. Ein anderer versucht einem Mädchen mit DARKTHRONE-Shirt anschaulich zu erklären, worum es bei Black Metal geht: Ne leere Flasche ist schnell zur Hand. Klirrrrrr. Ratzzzsch. Frisches Blut tropft aus dem tiefen Schnitt am Oberarm. "That's it!" Mein Zeltnachbar ist dem Untergang auch schon nah: Irgendwo auf der vier Kilometer langen Strecke zwischen Bitterfeld und Friedersdorf war er liegen geblieben, bis ihm ein Polizist auf die Schulter klopfte und meinte: "Wenn sie nicht sofort aufstehen und dahin gehen, wo sie herkommen, nehmen wir sie mit ins Gefängnis." Gnädigerweise hielt ein Auto an der B100 an und nahm den orientierungslosen Metal-Fan mit, "zu dem Zeltplatz mit den ganzen anderen Assozialen".

Was für eine Beleidigung! Wenn es irgendwo sozial und kultiviert zugeht, dann doch am meisten auf Metal-Konzerten! Bestes Beispiel ist da der Gig von DELIRIUM TREMENS: brüderlich teilen sie ihr Bier mit den Fans. Zwei eigens dafür engagierte Scharfrichter mit schwarzen Kapuzen überm Gesicht teilen ganze Paletten voller Bierbecher aus. Wenn das nicht sozial ist? Auch pflegt wohl kaum eine Band die Old-School-Thrash-Metal-Kultur so sehr wie dieser deutsche Fünfer. Der Proteinberg von einem Sänger betritt benietet und bepanzert bis zur Kinnkante in roter Nylon-Legins mit zerfetzter Netzstrumpfhose darüber die Bühne, überall quellen Muskelwülste hervor. Die schwarze Krähenbemalung im Gesicht macht ihn noch gefährlicher. So könnte er ohne weiteres als "Warhammer"-Figur durchgehen. Bei dieser Statue erwartet man ja eigentlich tiefste Höllen-Growls, aber stattdessen fängt der "Mütze Piper" in bester Thrash-Manier schweinischst an zu quieken. Ein bisschen unkoordiniert wirkt er schon, mal rutschen ihm die Knienieten vom Bein, dann verpasst er seinen Einsatz. Bei dem Gewühl auf der Bühne ist das aber zu verzeihen. Denn die zwei Schwarzmützen kommen immer wieder und sorgen für Unordnung. Als nächstes bringen sie drei aufgespießte Schweinsköpfe mit, die dümmlich und zufrieden in den Moshpit grinsen. Dort ist inzwischen die Sau los. Wenn sich jetzt hier ein überzeugter Veganer oder militanter Tierschützer beschweren möchte, der nehme zuvor zur Kenntnis: die Köpfe sind vom Schlachter und werden heute schon zum dritten Mal wiederverwendet. Die Band hat sich eigens dafür eine Kühltruhe in den Probenraum gestellt. Ganz frisch sehen die drei Grinsebacken wirklich nicht mehr aus, so wie hier mancher schon nicht mehr die Glüsen aufbekommt. Wer noch gehen kann, hat sich aufgerafft um diese Kombo zu sehen. Wer das geschafft hat wird dafür mit einer absolut thrashigen Show belohnt. Schlussendlich verwandelt sich der Sänger sogar in einen Feuerspucker. Dass er sich nicht verschluckt, grenzt an ein Wunder. Dafür verpasst der Schlagzeuger mal wieder seinen Einsatz. Egal, wir sind alle schon ein bisschen mitgenommen. Respekt, wer noch die Kondition hat hier durchzuhalten. Andere sind dem Zustand, nach dem sich DELIRIUM TREMENS benannt haben, schon gefährlich nahe. Auszug aus dem Wörterbuch der Medizin:

[D.tremens: Vergiftung mit Alkohol; eine nach jahrelangem Schnapsgenuss sich zeigende akute Psychose mit ängstlicher Erregung und optischen Halluzinationen von Bewegungscharakter (kleine Tiere), dabei besondere Suggestibilität. Gefahr des Herzversagens. Nach Abklingen des Delirs kann Verblödung, hochgradige Merkschwäche zurückbleiben.]

Der tschechische Fan liegt immer noch im feuchten Gras; zum Hammer in der Unterhose haben sich noch Honigmelonenreste und leere Bierflaschen gesellt. Das wird ein Erwachen... Von fern dringt der lautstarke Gesang begeisterter STORMWARRIOR-Fans in sein abwesendes Bewußtsein. Auch die deutschen Black Metaller von ZARATHUSTHRA werden aus irgendeinem Grund unüberhörbar gefeiert.

Dabei liefern ihre Landsmänner von SECRETS OF THE MOON noch weitaus tiefgreifendere Ergüsse aus dunkelsten Abgründen. Ein nur wegen dem Urgestein der deutschen Black-Metal-Szene angereister Fan sieht ihren Auftritt so: Wer geglaubt hat, SECRETS OF THE MOON wären mit "Carved In Stigmata Wounds" an ihr Maximum gestoßen, der kann noch nicht die Magie erlebt haben, die das Trio auf der Bühne zu entfesseln vermag. Und dabei sind sie, ein wenig übernächtigt, gerade erst von einer ziemlich desaströsen und damit wohl ernüchternden Tournee durch die Schweiz zurück. Freilich merkt man davon kaum mehr etwas, als Aleister Crowley zu sprechen anhebt und die drei mit einer gehörigen Majestät ihre Positionen beziehen. Die Einleitung 'Crowns', jeder dritten Doom-Kapelle die Tränen in die Augen treibend, fährt schwer riffend in den Magen, bauscht sich allmählich, aber gewaltig zu dem rasenden 'Cosmogenesis' auf, das, mit erschreckender Präzision dargeboten, an Erhabenheit selbst die unlängst abgetretenen Könige leichenfahl hätte dastehen lassen. Überhaupt: Die Präsens der drei Musiker ist ungeheuerlich. Das distinguierte Corpsepaint unterstreicht die angespannten, im Rausch der Musik mitunter überirdisch wirkenden Gesichtszüge. Jeder Griff in die Saiten, jeder Hieb auf die Felle, jeder markdurchdringende Schrei, jeder gestische Akt erfolgt in einem solchen Bewusstsein um das, was Black Metal ist, war und sein wird, das einem die Dämonen gleich in Scharen den Rücken auf und ab toben, ihre Klauen kurz und heftig ins Fleisch schlagend. Verständlich, dass es außer einem so passend wie giftig ins Mikrophon gefauchten 'Miasma' keine Ansagen gibt; wer braucht das, wenn doch alles mit der Musik, den Gesten gesagt wird? Spätestens das nach einem überschaubaren Sample massiv einsetzende 'Carved In Stigmata Wounds' zeigt dann, wie herausragend SECRETS OF THE MOON auf allen Feldern agieren: fast schon katatonisch quälende Gitarrenlinien, wuchtige Schlagzeugsalven, spannende Breaks, rohe zweistimmige Vocals und ein Licht, das selbst aus den gegebenen miserablen Umständen etwas Großes zaubert. Anstelle, wie die vorangegangenen Musiker, auf ein wild und dabei konzeptlos wirbelndes Farbenmeer zu setzen, gibt es während des einstündigen Auftritts gerade mal tiefblaue und grellweiße Scheinwerfer; ein Menge Nebel dräut von überall. Erstaunlich, dass der wahre Metaller das Applaudieren offensichtlich so sehr meidet, wie der Satan das Weihwasser; allerorts dem Himmel gezeigte Teufelszeichen müssen genügen, um Zustimmung zu signalisieren. Bis einige ganz Wagemutige, aus Leipzig zugereist, vollmundig ihre Zugabe zu fordern beginnen, die Menge behäbig sich mit einskandiert. Was dann folgt, ist mit ekstatisch nur noch unzureichend zu charakterisieren. (Marcel Tilger)

Der zueltzt beschriebene Zustand trifft gleichmäßige sowohl auf SECRETS OF THE MOON als auch den Auftritt von NOCTURNAL BREED zu. Da wird es noch mal richtig eng vor der Bühne. Sogar aus Österreich sind Fans angereist nur um die norwegische Kult-Thrash-/Black-/Speed-Kombo hier in Friedersdorf zu sehen. Eine kleine Sensation ist das Konzert schon, denn das letzte war vor sieben Jahren beim Wacken. Damals glichen NOCTURNAL BREED noch einer Allstar-Versammlung mit Silenoz von DIMMU BORGIR und Jens F. Ryland von BORK NAGAR. Übrig blieb eigentlich nur Destroyer als Bandgründer, Sänger und Bassist. Hinzu kamen irgendwann mal Tex Terror als Cowboy-Hut tragende Drum-Maschine, DODHEIMSGÅRD-Frontmann Tom Bombakill und jüngst Ben Hellion als zweiter Gitarrist. Ob sie die nächtlichen Eskapaden gut überstanden haben? Yeah! Die Jungs haben sich reinkarniert und glänzen wieder. In Lack und Leder stürmt Destroyer ans Mikro. Den nackten Wahnsinn in den Augen, eine würgende Sklavenkette am Hals, die Stimme mit Whiskey im Überfluss geölt. Wenn es Lemmy nicht schon gäbe... Stimmlich kann es hier echt zu Verwechslungen kommen. Das geht soweit, dass andernorts Fans einfach auf die Bühne krabbeln und nach angeblichen MOTÖRHEAD-Coversongs fragen, die NOCTURNAL BREED noch nie gespielt haben. 'Screaming For A Leather Bitch', 'Locomotive Death' und 'Alcoholic Rites' sind pure Medizin, wirken wie genitale Stimulantien mit hundertprozentiger Erfolgsquote. Da brauchen NOCTURNAL BREED gar nicht ihre Live-Stripperinnen, die sonst immer mit dabei sind. Sechzehnhundert Euro für zwei lokale Disco-Schlampen waren ein bisschen zu teuer, also entschied man sich für die pure Musik. Eine gute Entscheidung! Frauen, tote Tiere und gefakte Schädel gab es bei diesem Festival bereits zur Genüge. Die einzige Requisite auf der Bühne ist ein echter Schädel ohne Dach, aus dem Destroyer mit irrem Blick Wein über sich und seinen Schlund gießt. Ansonsten zählt nur noch der raue dreckige Sound der Achtziger. SODOM, KREATOR, VENOM und CELTIC FROST treffen sich zu einem fünfundvierzigminütigen Ständchen. Im Moshpit ist die Hölle los. Bewegender Höhepunkt ist schließlich die Coverversion des DEATH-Klassikers 'Evil Dead'. Eine makabre Widmung an Chuck, die Destroyer nur kurz ankündigt: "Für einen Freund, der sterben musste." Verbittert sagt er das, um dann kurz darauf alle Wut, Trauer und Aggression in diesen einen Song zu packen. Vielleicht das beste DEATH-Cover, was es bisher gibt. Destroyers Mund verzerrt sich zu einem grotesken Grinsen, die Augen sind weit aufgerissen und quellen fast aus den Höhlen. Er gibt alles und zuviel. Bei den letzten Songs muss Tom einspringen. Kein Problem, er ist ja eh für die Backing-Vocals zuständig. Eine Zugabe gibt es aber leider nicht mehr. Dennoch, besser kann ein Headliner nicht auftreten.
Nach dem Konzert erklärt Tom, dass sich Destroyer wohl den Magen verdorben hatte. Vor Übelkeit hätte es ihm die Kehle zugezogen, sodass er schließlich kaum noch einen Ton rausbringen konnte. "Well, that's Rock 'n Roll!"

Übrig bleibt eine aufgeheizte Fanschar, die jetzt erst wieder richtig wach ist. Da sind METAL INQUISITOR die perfekt Band um die Meute bis aufs letzte auszupowern. Der deutsche Fünfer füttert die hungrigen Löwen zu seinen Füßen mit unzähligen Coversongs, auf dass sie bis zur Erschöpfung wild ihre Mähnen schütteln. Doch schneller, als geplant geht das Futter aus und so müssen ungeprobte Stücke herhalten, darunter auch eine schmerzlich verunglückte Version von SLAYERs 'Reign In Blood'. Aber egal, es geht ja nur noch darum endlich den Punkt der kompletten Selbstzerstörung zu erreichen. MOTÖRHEADs 'Overkill' leistet da gute Dienste. Viermal müssen die nach der zweitägigen ständigen Alkoholzufuhr eh schon angeschlagenen Musiker noch mal aufs Schlachtfeld raus. Erst als sich im Osten schon wieder der Himmel aufhellt, wird die Bühne geräumt. Für Unzerstörbare bleibt noch das Partyzelt und die Tankstelle, bis der Bierstand wieder aufmacht.

Ja, dieser Tage herrscht große Aufregung in den Ortschaften um das Festival-Gelände. An den Tankstellen wird soviel Umsatz gemacht, wie sonst vielleicht im ganzen Jahr. Aber die Skepsis bei den Einheimeischen überwiegt: "Ist das heute endlich vorbei?", fragt eine strenge Kassiererin. "Ja, heute ist Abfahrt." Ihr verkniffener Blick entspannt sich etwas: "Na Gott sei Dank! Da kehrt hier wieder Ruhe und Ordnung ein." Bis auf weiteres...

Verfasser: Wiebke Rost (Legacy/powermetal.de)

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